




Kapitel 1
Elijah Vaughn
Das Boot schaukelte über die dunklen Gewässer und schnitt durch das Meer in Richtung meines schlimmsten Albtraums. In einer Reihe mit anderen Sträflingen fühlte ich den eisigen Wind, der an meiner Haut nagte.
Meine Augen brannten vom Weinen. Es waren keine Tränen mehr übrig – nur eine wachsende Leere in meiner Brust.
Es war unglaublich.
Inferno Bay.
Das am meisten gefürchtete Ziel der Welt.
Ein Gefängnis, in das die Schlimmsten der Schlimmsten geworfen wurden, um zu verrotten. Ein Abgrund ohne Wiederkehr, Heimat gnadenloser Mörder, wahnsinniger Psychopathen und blutrünstiger Gangster. Aber ich gehörte nicht dazu. Ich hatte nie ein Verbrechen begangen.
Ich schloss die Augen. Die Erinnerung an den Prozess kehrte zurück wie eine Klinge, die durch meine Seele schnitt.
Ich war in den Gerichtssaal eskortiert worden, die Hände in Handschellen, das Herz schlug, als wollte es der Realität entfliehen. Ich hob den Kopf und sah sie dort sitzen.
Meine Eltern.
Meine Freundin.
Mein Bruder.
Ihre Augen waren erfüllt von Abscheu – als ob sie ein Monster anstarrten.
Der Richter machte sich nicht einmal die Mühe zuzuhören. Ich flehte; ich bat. Es war nutzlos.
„Elijah Vaughn, Sie werden hiermit zu zehn Jahren im Hochsicherheitsgefängnis Inferno Bay verurteilt.“
Die Welt brach zusammen. Mein Körper zitterte. Mein Atem stockte. Mein Herz zerbrach.
Ich wusste, was das bedeutete. Inferno Bay war nicht nur ein Gefängnis. Niemand kam lebend heraus.
Zurück in der Gegenwart starrte ich auf die Silhouette des näherkommenden Gefängnisses. Eine Festung aus Eisen und Beton, deren Mauern so hoch waren, dass sie den Himmel zu berühren schienen. Angst breitete sich wie Gift in meinem Körper aus.
Das Boot hielt an.
Uniformierte Wächter standen in einer Reihe, bereit, uns zu empfangen. Eine tiefe Stimme hallte – kalt und gleichgültig:
„Willkommen in der Hölle. Hier gibt es keinen Platz für Schwäche. Nur eine Regel: Versuche nicht zu sterben.“
Ein Schauer lief mir über den Rücken. Meine Beine fühlten sich wie festgewurzelt an. Das Meer hinter mir war nun nur noch eine Erinnerung an die Freiheit, die ich nie wieder haben würde. Dann knarrten die eisernen Tore auf.
Die Handschellen wurden entfernt, aber das Gefühl, eingesperrt zu sein, klebte an meiner Haut. Die Umgebung war kalt und steril, beleuchtet von grellen weißen Lichtern, die die Leere nur verstärkten. Bewaffnete Wächter beobachteten jede unserer Bewegungen.
„Ausziehen“, kam der Befehl, der die Stille wie eine Peitsche durchbrach.
Demütigung überkam uns. Niemand rührte sich. Die Stille dehnte sich – bis ein Gefangener neben mir hart ins Gesicht geschlagen wurde und zu Boden ging, während Blut von seinem Kinn tropfte.
„Ich sagte, zieht eure verdammten Klamotten aus!“ bellte der Wächter.
Angst breitete sich wie ein Lauffeuer aus. Zitternde Hände zogen an Hemden. Wir hatten keine Wahl. Einer nach dem anderen zogen wir uns aus – bloßgestellt unter den gnadenlosen Blicken der Wärter.
Sie untersuchten uns wie Tiere, die zur Schlachtung aufgereiht waren.
„Auf alle viere“, befahl eine weitere Stimme, emotionslos. „Wir müssen sicherstellen, dass ihr keine Drogen versteckt.“
Scham brannte wie Feuer. Ich wollte schreien, verschwinden – aber es gab keinen Ausweg. Ich schloss die Augen und gehorchte. Wir alle taten es. Qualvolle Minuten vergingen, bis wir endlich wieder aufstehen durften.
„Gut.“
Einer der Wächter ging zwischen uns hindurch.
„Die Uniformen sind farbcodiert. Weiß für kleinere Verbrechen wie Diebstahl oder Entführung. Orange für schwere Straftaten – Mord, Körperverletzung, Menschenhandel. Schwarz ist für die schlimmsten der Schlimmen: Mafia-Bosse, Menschenhändler, Organhändler... der Abschaum der Gesellschaft.“
Jedes Wort traf wie ein Schlag in die Magengrube.
„Jetzt beweg dich.“
Ein anderer Wärter begann, die Uniformen auszuteilen. Mein Herz raste. Ich wusste bereits, welche Farbe ich bekommen würde.
Orange.
Das Zeichen der Ungerechtigkeit.
Ein permanenter Stempel, der mich zu etwas machte, was ich nie war.
Die Schlange bewegte sich vorwärts.
Das Gewicht meiner Strafe drückte sich enger um meinen Hals wie eine Schlinge.
Warum hat Sabrina mich beschuldigt?
Was habe ich getan, um das zu verdienen?
Nichts davon ergab Sinn.
Ich war an der Reihe.
Der Wärter überprüfte seine Liste und sprach emotionslos.
„Orange.“
Meine Lungen brannten.
Meine Brust zog sich zusammen.
Der Stoff traf meine Handflächen, und in diesem Moment wusste ich, dass mein Leben nie wieder dasselbe sein würde.
Mit zitternden Händen zog ich die Uniform an. Die grobe Textur des Stoffes auf meiner Haut erdrückte das letzte bisschen Hoffnung. Ich versuchte, tief durchzuatmen.
Der Wärter musterte uns.
„Es gibt zwei Flügel: links und rechts.“
Dann landete sein Blick auf mir.
„Du.“
Er zeigte direkt auf mich.
Ein Schock durchfuhr meine Adern.
„Linker Flügel. Nimm ihn.“
Der Griff um meinen Arm war brutal. Die Kraft brachte mich fast aus dem Gleichgewicht.
„Beweg deinen Arsch!“ brüllte die Stimme in der Nähe meines Ohrs.
Ich schluckte schwer und folgte dem schnellen Tempo. Die Tür des Flügels öffnete sich, und das Geräusch von Lachen und Flüstern drang aus den Zellen.
„Frischfleisch.“
„Lecker.“
„Schickt ihn rüber!“
Meine Beine gaben fast nach.
Ich biss mir auf die Lippe und versuchte, die Panik zurückzuhalten.
Der Wärter blieb vor einer Zelle stehen, sagte etwas in sein Funkgerät, und mit einem metallischen Klirren öffneten sich die Gitterstäbe.
„Fox, du hast einen neuen Mitbewohner.“
Der Stoß war hart. Ich schlug auf den Boden auf, meine Knie brannten vom Aufprall. Die Gitterstäbe schlossen sich mit einem lauten Klirren.
„Willkommen.“
Mein Brustkorb hob und senkte sich in einem unregelmäßigen Rhythmus.
Langsam drehte ich mich um.
Der Junge auf dem Bett beobachtete mich mit einem spielerischen Grinsen.
Er trug die gleiche orangefarbene Uniform. Sein zerzaustes blondes Haar fing das wenig vorhandene Licht in der Zelle ein. Seine scharfen, blauen Augen funkelten vor Übermut, als ob ihn hier nichts beeindrucken könnte.
Seine gebräunte Haut kontrastierte mit der Helligkeit seines Haares, und ein Tattoo stach an seinem Hals hervor. Es sah aus wie ein Name, aber das gedämpfte Licht machte es schwer zu lesen.
„Wie lange hast du vor, auf dem Boden zu bleiben?“ fragte er und hob eine Augenbraue.
Ich blinzelte benommen und stand langsam auf, immer noch zögernd.
„Keine Panik. Ich beiße nicht,“ lachte er. „Nun... vielleicht tue ich das. Aber nicht heute Nacht. Es ist spät. Ich erkläre dir morgen alles. Das obere Bett gehört dir.“
Ohne auf weitere Fragen zu warten, drehte er sich um und legte sich ins Bett.
Erschöpfung übermannte mich. Ich hatte nicht die Kraft zu protestieren. Ich kletterte auf das obere Bett, legte mich auf die Seite und presste mein Gesicht an die kalte Wand, während stille Tränen über meine Wangen liefen.
Ich schniefte leise und versuchte, nicht zu schluchzen.
Ich sollte nicht hier sein.
Ich gehörte nicht an diesen Ort.
Aber es war bereits zu spät.