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Kapitel 4

Morgans Perspektive

„Aurora, einfach so auf der Autobahn anzuhalten hätte uns alle drei töten können!“ rief ich aus, mein Herz raste noch immer von ihrem plötzlichen Bremsmanöver.

Aurora blieb still, während sie den Wagen startete und zum privaten Flugfeld fuhr. Sie sagte kein Wort auf dem gesamten Weg, ihre Hände umklammerten das Lenkrad so fest, dass ihre Knöchel weiß wurden.

Als wir am privaten Hangar ankamen, führte sie mich in eine ruhige Ecke der Lounge, wo Sonnenlicht durch bodentiefe Fenster auf polierte Steinböden fiel. Sie bestellte zwei Espressos, und als die Getränke kamen, schob sie mir einen mit einem Blick zu, der keine Widerrede duldete.

Eine Weile sprach keiner von uns. Das leise Summen der Jets draußen erfüllte die Stille. Aurora war die Art Frau, die mit einem Blick einen Raum beherrschen konnte, aber jetzt schien sie etwas zurückzuhalten, als ob sie jedes Wort abwägen würde, bevor sie es sagte.

„Ich weiß, dass du Angst hast, Morgan“, sagte sie schließlich, ihre Stimme weicher als erwartet. „Aber einfach wegzulaufen, ohne es ihm zu sagen? Das bist nicht du.“

Ich starrte auf die wirbelnde Crema in meiner Tasse. „Ich habe erst heute Morgen von dem Baby erfahren. Ich hatte noch keine Zeit, klar zu denken.“

Auroras Lippen pressten sich zu einer dünnen Linie. „Du bist nicht die Einzige, die überrumpelt wurde. Alexander verdient die Wahrheit. Was auch immer er getan hat, er hat das Recht es zu erfahren.“

Ein Zittern durchlief mich. Die Erinnerung an Alexanders kalte Gleichgültigkeit, das Echo von Olivias Lachen hinter verschlossenen Türen – ich wollte nichts mehr, als zu verschwinden, mich aus ihrer Welt zu löschen. „Er hat seine Wahl getroffen, Aurora. Er ist bei ihr. Warum ihn zurück in mein Chaos ziehen?“

Aurora beugte sich vor, ihr Blick unnachgiebig. „Denkst du, du schützt ihn, oder dich selbst? Denn von hier aus sieht es so aus, als würdest du nur einem weiteren schmerzhaften Gespräch aus dem Weg gehen.“

Ihre Worte stachen, vor allem weil sie wahr waren. Ich hatte Jahre damit verbracht, Konflikten auszuweichen, mir einzureden, dass Schweigen eine Form von Stärke sei. Aber das war anders. Ein Kind war anders.

Auroras eigene Geschichte war kompliziert. Sie hatte ihr Imperium aus dem Nichts aufgebaut, aber der Preis war hoch – Entfremdung, Missverständnisse, Jahre des Grolls gegenüber einem Vater, mit dem sie sich erst kürzlich versöhnt hatte. Ich hatte gesehen, wie sie dieses Minenfeld navigierte, den Tribut, den es forderte.

Sie seufzte, ihre Haltung wurde weicher. „Morgan, ich weiß, wie es ist, mit Halbwahrheiten aufzuwachsen. Ich habe den Großteil meines Lebens geglaubt, mein Vater würde sich nicht kümmern, während meine Mutter die ganze Zeit nur versucht hat, mich zu schützen. Es hat den Schmerz nicht weniger real gemacht.“

Sie atmete aus, Spannung durchlief sie. „Geheimnisse wie diese vergiften alles. Ich habe Jahre durch Schweigen verloren, Morgan. Jahre, die ich nicht zurückbekommen kann. Tu das nicht dir selbst an. Tu das nicht deinem Kind an.“

Meine Finger umklammerten die Tasse, das Porzellan war glatt gegen meine Haut. „Ich versuche nicht, die Vergangenheit umzuschreiben. Ich möchte einfach entkommen, bevor es noch schlimmer wird.“

Auroras Lachen war spröde, fast gefährlich. „Wohin willst du fliehen? Du wirst das überallhin mitnehmen. Du denkst, du lässt den Schmerz hinter dir, aber du packst ihn nur in deinen Koffer.“

Ihre Worte durchdrangen meine Verteidigung. Ich traf ihren Blick, Verzweiflung flackerte in meiner Brust. „Was, wenn es ihm egal ist? Was, wenn er erleichtert ist, mich und diese—diese Komplikation loszuwerden?“

„Dann wirst du es wenigstens wissen“, sagte sie, ihr Ton sanft, aber bestimmt. „Zumindest hast du ihm die Chance gegeben, sich zu beweisen—oder nicht. Aber du wirst nicht jahrelang darüber nachgrübeln, was hätte passieren können, wenn du ihm die Wahrheit gesagt hättest.“

Eine Stille dehnte sich zwischen uns aus, schwer und unsicher. Draußen heulte ein Flugzeugtriebwerk auf. Aurora schob eine Bordkarte über den Tisch, das Firmenlogo glänzte in der Ecke.

„Du kannst immer noch gehen“, sagte sie leise. „Aber nicht so. Nicht mit einem so großen Geheimnis.“

Ich zögerte, das Telefon in der Hand, der Daumen über dem Bildschirm schwebend. Der Drang zu fliehen, Meilen zwischen mich und das Chaos, das ich hinterließ, zu bringen, war überwältigend. Aber Auroras Worte hallten in meinem Kopf wider.

„Er verdient es zu wissen“, wiederholte sie. „Was auch immer als Nächstes passiert, du wirst deinem Kind in die Augen sehen können und sagen, dass du das Richtige getan hast.“

Meine Hände zitterten, als ich tippte. Die Nachricht war kurz, sachlich, nichts wie der Sturm, der in mir tobte. Als ich fertig war, beobachtete Aurora mit der Intensität eines Falken.

„Was machst du da?“ verlangte sie.

Meine Stimme kaum mehr als ein Flüstern. „Ich habe eine Nachricht geschickt.“

Auroras Verärgerung flammte auf, ihre Hand schoss vor, um mein Telefon zu schnappen. „Morgan! So etwas teilt man nicht per Textnachricht mit.“

Ich brachte ein schwaches Lächeln zustande. „Ich habe meiner Stimme nicht getraut, dass sie nicht bricht. Außerdem, wenn er reden will, wird er anrufen.“

Aurora rollte mit den Augen, stritt aber nicht weiter. Wir warteten schweigend, die Minuten dehnten sich, mein Telefonbildschirm blieb hartnäckig leer.

Eine ganze Stunde saßen wir in der VIP-Lounge, meine Augen fest auf den Telefonbildschirm gerichtet. Auroras Ausdruck wurde zunehmend traurig, während ich seltsamerweise ruhig blieb. Vielleicht war ich an Enttäuschungen gewöhnt, oder ich hatte diesmal nicht viel Hoffnung gehabt. Nach dem intensiven Weinen im Auto schien ich jetzt kaum noch Emotionen zu haben.

Aurora sah auf ihre Uhr. „Das Privatjet ist bereit. Die Crew wartet auf uns. Wartest du noch?“

„Noch fünf Minuten“, sagte ich leise, meine Finger glitten unaufhörlich über den Telefonbildschirm, um sicherzustellen, dass ich keine Nachrichten verpasst hatte. Ich wusste, dass das Privatjet unendlich warten würde—ein Privileg, das Aurora mir gewährt hatte, aber auch eine Last—ohne feste Abflugzeit, die als Ausrede zum Gehen dienen könnte.

Gerade als Aurora aufstand, um zu gehen, klingelte mein Telefon. Aurora drehte sich aufgeregt um, aber es war nicht Alexander, der anrief.

Drei kalte Worte blitzten auf dem Bildschirm auf: [Robert Montgomery ruft an...]. Mein Herz erstarrte. Ich wollte seinen Anruf nicht entgegennehmen.

„Hallo“, hörte ich meine eigene distanzierte Stimme sagen.

„Catherine hatte einen Unfall. Komm zurück.“ Mit einer noch kälteren Stimme legte Robert auf, bevor ich antworten konnte.

Was ist mit Mama passiert? Mein Herz zog sich zusammen.

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