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Kapitel 7: Stärkung der Rudelbindung

Die Bergluft biss in Jessicas Haut, als sie den felsigen Pfad entlang stolperte. Sie waren seit Stunden unterwegs, das Gelände wurde mit jedem Kilometer steiler und gefährlicher. Ihre Beine brannten, ihre Lungen schrien nach Luft in der dünnen Umgebung. Wie viel weiter konnte sie noch gehen?

Als ob er ihren Kampf spürte, sah James ihr ins Gesicht, sein starker Arm legte sich um ihre Taille. "Wir sind fast da," murmelte er, mühelos ihr Gewicht stützend. Jessica lehnte sich dankbar an ihn, zog Kraft aus seiner unerschütterlichen Präsenz.

Der Rest der Gruppe bewegte sich mit fließender Anmut, ihre übernatürliche Ausdauer ermöglichte es ihnen, das schwierige Gelände mühelos zu bewältigen. Jessica fühlte einen Stich der Unzulänglichkeit. Sie bremste sie alle aus, brachte sie alle in Gefahr.

"Hör auf damit," rief Matthew von vorne, warf einen verständnisvollen Blick zurück. "Ich kann dich fast hören, wie du dich selbst fertig machst, Liebling."

Jessica errötete, peinlich berührt, so offensichtlich zu sein. "Mir geht's gut," beharrte sie, richtete sich auf und versuchte, ihr Tempo zu beschleunigen. Ihr Fuß verfing sich an einem losen Stein, und sie stolperte mit einem Aufschrei nach vorne.

Sofort war Andrew da, fing sie auf, bevor sie fallen konnte. "Ganz ruhig, Luna," brummte er, stabilisierte sie mit sanften Händen. "Du musst nichts beweisen. Wir haben dich."

Tränen der Frustration stiegen Jessica in die Augen. Sie hasste es, sich so verletzlich zu fühlen, so abhängig von ihnen. Doch bevor sie ihre Unsicherheiten aussprechen konnte, erregte ein leises Pfeifen von Michael die Aufmerksamkeit aller.

"Wir sind da," verkündete er und deutete auf eine fast unsichtbare Spalte im Berg.

Jessica kniff die Augen zusammen, sah nichts als festen Fels. Aber als sie näher kamen, keuchte sie. Geschickt verborgen durch natürliche Formationen und wohl auch durch eine Art Magie, offenbarte sich ein schmaler Durchgang.

"Willkommen in der Höhle," sagte James mit einem Hauch von Stolz in der Stimme. "Einer der ältesten und stabilsten Rückzugsorte."

Einzeln quetschten sie sich durch die enge Öffnung. Jessicas Klaustrophobie drohte sie zu überwältigen, aber Christophers beruhigende Hand auf ihrem Rücken hielt sie in Bewegung. Nach einer gefühlten Ewigkeit in dem dunklen, beengten Raum traten sie heraus in...

"Oh mein Gott," hauchte Jessica, die Augen weit vor Staunen.

Eine riesige Höhle erstreckte sich vor ihnen, erleuchtet von einer Art biolumineszierendem Pilz, der alles in ein sanftes, ätherisches Licht tauchte. Ein unterirdischer Fluss durchzog die Mitte, sein klares Wasser wimmelte von Fischen. Natürliche Felsformationen schufen separate Wohnbereiche, und sie konnte Anzeichen langfristiger Besiedlung sehen - Felle als Betten, grobe Möbel und sogar primitive Kochutensilien.

"Es ist wunderschön," flüsterte sie, trank den anderenweltlichen Anblick in sich auf.

"Und sicher," fügte Michael pragmatisch hinzu. "Der Eingang ist praktisch unauffindbar, es sei denn, man weiß genau, wo man suchen muss. Wir können uns hier neu gruppieren und unseren nächsten Schritt planen, ohne eine weitere Falle befürchten zu müssen."

Während die anderen sich verteilten, um das Gebiet zu sichern und das Lager aufzubauen, fühlte sich Jessica zum unterirdischen Fluss hingezogen. Sie kniete sich an dessen Ufer, schöpfte Wasser mit den Händen, um das eisige Wasser zu trinken. Es schmeckte erstaunlich rein, mit einem leichten mineralischen Beigeschmack, der von seiner langen Reise durch das Herz des Berges zeugte.

"Vorsicht," kam Davids sanfte Stimme von hinten. "Die Strömung ist stärker, als sie aussieht."

Jessica nickte, setzte sich auf ihre Fersen zurück. David ließ sich neben ihr nieder, seine ruhige Präsenz war ein Balsam für ihre angespannten Nerven. Von allen Alphas war er derjenige, mit dem sie am einfachsten sprechen konnte - vielleicht, weil er trotz seiner offensichtlichen Stärke am wenigsten einschüchternd wirkte.

"Wie hältst du dich?" fragte er leise, mit aufrichtiger Besorgnis in den Augen.

Jessica öffnete den Mund, um ihr übliches "Mir geht's gut" zu sagen, aber etwas in Davids Blick ließ sie innehalten. Stattdessen fand sie sich dabei, die Wahrheit zuzugeben. "Ich habe Angst," flüsterte sie. "Und ich fühle mich... nutzlos. Als wäre ich nur eine Last, die ihr alle beschützen müsst."

Davids Gesichtsausdruck wurde weicher. Er streckte die Hand aus und strich ihr überraschend zärtlich eine Haarsträhne hinter das Ohr. "Du bist nicht nutzlos, Jessica. Ganz im Gegenteil. Du bist das Herzstück dieses Rudels - der Grund, warum wir alle so hart kämpfen."

Seine Worte erwärmten etwas tief in ihr, aber Zweifel nagten immer noch an ihr. "Aber ich kann nicht das tun, was ihr könnt. Ich bin nicht stark oder schnell oder..."

"Du bist stärker, als du denkst," unterbrach David sanft. "Deine Stärke ist vielleicht anders als unsere, aber sie ist genauso wichtig. Vielleicht sogar noch mehr."

Bevor Jessica widersprechen konnte, lenkte ein Tumult aus der Hauptkammer ihre Aufmerksamkeit. Sie eilten zurück und fanden die anderen um James versammelt, der eine antik aussehende Schriftrolle in den Händen hielt.

"Was ist das?" fragte Jessica, ihre Neugier überwog für einen Moment ihre Unsicherheiten.

James' Gesichtsausdruck war eine Mischung aus Aufregung und Beklommenheit. "Es ist eine Prophezeiung," erklärte er. "Eine, die ich fast vergessen hatte. Sie spricht von einer großen Prüfung, der das Rudel gegenüberstehen wird... und der wichtigen Rolle, die Luna für unser Überleben spielt."

Alle Augen richteten sich auf Jessica, die das Gewicht ihrer Erwartungen wie eine körperliche Last spürte. Sie schluckte schwer, kämpfte gegen den Drang, wegzulaufen und sich zu verstecken.

"Was... was steht da?" brachte sie hervor, ihre Stimme kaum mehr als ein Flüstern.

James rollte die Schriftrolle auf, das alte Pergament knisterte bedrohlich. Als er begann, mit tiefer, resonanter Stimme zu lesen, spürte Jessica eine seltsame Energie in der Luft um sie herum.

"Wenn die Dunkelheit aufsteigt und die Hoffnung verloren scheint,

Wird das Licht der Luna den Preis tragen.

Sieben Alphas, durch das Schicksal verbunden,

Müssen vereint am Tor stehen.

Doch nur sie, die das Zeichen trägt,

Kann den Schleier der unendlichen Dunkelheit durchdringen.

Blut und Knochen, Fang und Klaue,

Das Rudel muss dem alten Gesetz gehorchen.

In Lunas Opfer,

Liegt die Kraft, den Preis zu zahlen."

Eine schwere Stille fiel, als James das Lesen beendete. Jessicas Gedanken rasten, versuchten, die kryptischen Worte zu verstehen. Opfer? Altes Gesetz? Es klang alles so bedrohlich.

"Was bedeutet das?" fragte sie, hasste es, wie klein und ängstlich sie klang.

Michael trat vor, sein analytischer Verstand arbeitete bereits. "Es ist klar, dass die Prophezeiung sich auf dich bezieht, Jessica. Du bist die Luna, und wir sind die sieben Alphas. Aber der Rest..."

"Es spielt keine Rolle," knurrte James, seine beschützenden Instinkte flammten auf. "Wir opfern niemanden, schon gar nicht Jessica."

Die anderen murmelten zustimmend, aber Jessica konnte das Gefühl nicht abschütteln, dass es nicht so einfach war. Die Prophezeiung hatte von einer Wahl gesprochen - ihrer Wahl. Was auch immer kommen würde, es schien, dass sie eine entscheidende Rolle spielen würde.

Als ob sie ihre innere Unruhe spürten, rückten die Alphas näher, umgaben sie in einem schützenden Kreis. Jessica spürte ihre Stärke, ihre unerschütterliche Hingabe, und etwas in ihr veränderte sich. Sie war vielleicht nicht so körperlich stark wie sie, aber in diesem Moment erkannte sie, dass ihre wahre Stärke in den Bindungen zwischen ihnen lag.

"Was auch immer passiert," sagte sie, überrascht von der Festigkeit in ihrer Stimme, "wir stellen uns dem gemeinsam. Als Rudel."

Die Zustimmung der Alphas grollte durch die Höhle wie fernes Donnern. James zog sie nah an sich, drückte einen festen Kuss auf ihre Stirn. "Das ist unsere Luna," murmelte er stolz.

Als die Nacht über ihrem versteckten Zufluchtsort hereinbrach, fand sich Jessica zwischen ihren Gefährten eingekuschelt, ihre warmen Körper schützten sie vor der Kälte der Höhle und den Ängsten, die noch in den Ecken ihres Geistes lauerten. Sie verstand vielleicht nicht vollständig ihre Rolle oder die Herausforderungen, die vor ihr lagen, aber sie wusste eines mit absoluter Sicherheit - sie war nicht allein.

Mit diesem tröstlichen Gedanken glitt sie in einen unruhigen Schlaf, ohne zu wissen, dass sich selbst jetzt dunkle Kräfte sammelten. Die Prophezeiung hatte Ereignisse in Gang gesetzt, die nicht mehr aufzuhalten waren. Bald würde Jessica einer Prüfung gegenüberstehen, die sie an ihre äußersten Grenzen bringen würde - und darüber hinaus.

Aber für den Moment schlief sie, sicher in den Armen ihrer Gefährten, während der Berg seine uralte Wache über sie hielt.

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