




Kapitel 1: Ein gestörtes normales Leben
Jessica Ward war ein ganz gewöhnliches Mädchen. Zumindest dachte sie das. Sie lebte in Berlin und hatte einen normalen Alltag. Sie arbeitete als Finanzanalystin, bereitete ihre Mahlzeiten vor, budgetierte ihr Geld und ging manchmal mit Freunden aus. Sie war gut mit Zahlen, Daten und Fakten.
Das einzige Seltsame in Jessicas Leben waren ihre wiederkehrenden Träume – intensive Albträume, erfüllt von hellem Mondlicht, in denen Schatten sich in riesige, knurrende Bestien verwandelten. Sie wachte schweißgebadet auf, die Bilder fühlten sich fast...vertraut an, wie vergessene Erinnerungen, an die sie sich nicht ganz erinnern konnte.
An diesem kühlen Oktoberabend beschloss Jessica, von der Arbeit nach Hause zu laufen, um ihren Kopf freizubekommen. Die Straßen der Stadt waren belebt mit Bars und Nachtleben, aber sie konzentrierte sich darauf, nach Hause zu kommen, um sich in ihrer gemütlichen Wohnung zu entspannen.
Als sie durch eine dunkle Gasse abkürzte, ließ ein markerschütterndes Knurren die Haare auf ihren Armen zu Berge stehen. Sie erstarrte, ihr Herz pochte, als ein großer, stämmiger Mann aus den Schatten auftauchte und sich über einen verängstigten Obdachlosen beugte.
"B-bitte...ich will keinen Ärger," sagte der Obdachlose und hob die Hände.
Mit einem weiteren kehligem Knurren verwandelte sich der Angreifer plötzlich...sein Körper verdrehte sich grotesk, während Fell über seine Haut spross. Sein Gesicht verlängerte sich zu einer monströsen Schnauze voller scharfer Zähne, als er auf alle Viere fiel, die Augen wild.
Ein Schrei blieb Jessica im Hals stecken, als das Biest zuschlug, seine Kiefer um den Hals des Obdachlosen schloss und ihn brutal aufriss. Warmes Blut spritzte auf den Boden, während ihr Verstand sich drehte und das unheilige Grauen, das sich nur wenige Meter entfernt abspielte, nicht verarbeiten konnte.
Der Werwolf hob seine Schnauze und traf Jessicas Blick, während ein paar Tropfen Rot ihre blassen Wangen besprenkelten. Ein tiefes, bedrohliches Grollen vibrierte aus seiner Kehle.
Jessicas Griff auf die Realität wankte, als eine eisige Kälte ihren Kern durchdrang, resonierend mit dem vertrauten Gefühl aus ihren Albträumen. Das konnte nicht real sein...doch jede erschütterte Nervenfaser sagte ihr, dass dies kein Traum war.
Einen Schritt zurücktretend, rutschte Jessicas Absatz im noch warmen Blut aus. Der Werwolf kauerte sich, spannte sich an, als würde er zum Sprung ansetzen. Ihr Fuß rutschte, fand aber keinen Halt.
In diesem Moment prallten sie zusammen.
Eine solide, unbewegliche Kraft krachte in Jessicas Rücken, brennende Hände griffen nach ihren Armen, um ihren zitternden Körper zu stabilisieren. Sie keuchte und drehte sich um, um in intensive smaragdgrüne Augen zu blicken, umrahmt von wirrem braunem Haar.
In diesem zerrissenen, herzzerreißenden Moment, durchdrungen von den Knurren des Biests, hatte sich Jessica noch nie kleiner gefühlt...oder schrecklich bewusster, dass ihr Leben für immer verändert war.
Jessicas Verstand wurde leer, als der smaragdäugige Fremde sie ohne ein Wort in seine kräftigen Arme riss. Sie öffnete den Mund, um zu protestieren, aber er legte eine brennende Hand über ihre Lippen, während ein tiefes, wildes Knurren in seiner Brust grollte.
"Sei still," befahl er mit rauer Stimme.
Jessica verstummte, ihr Herz pochte, als der durchdringende Blick des Fremden zum Werwolf wanderte, der immer noch inmitten des blutigen Gemetzels knurrte. Es gab einen angespannten Moment der Stille, dann sprang das Biest direkt auf sie zu.
"Halt dich fest," der Mann hielt sie fester, während sich sehnige Muskeln unter seinem Hemd anspannten. Mit einem unmöglich kraftvollen Sprung schossen sie geradewegs nach oben, erklommen die Feuertreppe in einem einzigen, schwerkrafttrotzenden Satz.
Jessica schloss die Augen, klammerte sich an den Fremden, während sie schnell aufstiegen, der Nachtwind peitschte ihr wild durchs Haar. Als sie einen Blick riskierte, waren sie auf dem Dach des Gebäudes, der Werwolf unten war nur noch ein winziger Punkt inmitten der Stadtlichter.
Sie schnappte nach Luft, schwindelig und desorientiert. "Was...wie...?" Worte versagten ihr, als sie die raue, maskuline Schönheit ihres Retters in sich aufnahm. Es lag eine berauschende, aber gefährliche Aura um ihn, die ihr Herz schneller schlagen ließ.
Er starrte sie nur mit diesen brennenden grünen Augen an, bevor er sie wieder aufnahm und mit erstaunlicher Geschwindigkeit und Beweglichkeit über die Dächer rannte. Jessica klammerte sich in sprachlosem Staunen an ihn, die Straßen und Lichter Berlins verschwammen wie in einem Traum.
Sie verlor jegliches Gefühl für die Richtung, bis sie schließlich in einer verlassenen Gasse zwischen zwei unscheinbaren Lagerhäusern landeten, der Fremde setzte sie sanft ab. Sie schrumpfte sofort gegen die raue Backsteinmauer, umarmte sich selbst.
"Wer...was bist du?" Ihre Stimme zitterte vor einer mächtigen Mischung aus Ehrfurcht und Angst vor dem Unbekannten.
Der Mann fuhr sich sofort mit der Hand durch sein kastanienbraunes Haar, Spannung zeichnete sich auf seinen markanten Zügen ab, als er über seine Antwort nachdachte. Er öffnete den Mund, wurde aber bald von einem Pfiff unterbrochen.
Sechs andere Männer von ähnlicher übernatürlicher Statur materialisierten sich aus den Schatten wie Rauch, alle strahlten eine rohe, urtümliche Kraft aus, trotz ihres auffallend guten Aussehens. Jessicas Atem stockte, instinktiv spürte sie, dass ihr Leben nie wieder dasselbe sein würde.
Ein blonder Adonis mit einem halbherzigen Lächeln, das jede Frau schwach machen konnte, beantwortete ihre frühere Frage. "Wir sind Werwölfe, Liebes. Und der Spaß fängt für dich gerade erst an." Daraufhin wandte sich das gesamte Rudel mit hungrig glühenden Blicken Jessica zu, was ihr einen unwillkürlichen Schauer über den Rücken jagte.
Eines war jetzt überdeutlich – sie war in großer Gefahr, aber auch verführerisch, unbestreitbar...fasziniert.