




Kapitel 4 Er hat Fieber?
Der Stachel seiner Worte hing in der Luft. Hatte er sie wirklich gerade gebeten zu gehen?
Sebastians Gesicht war von einem leichten Stirnrunzeln gezeichnet, sein Schweigen weder eine Zurückweisung noch eine Zustimmung.
Megans unverhohlene Missachtung entfachte einen Funken der Provokation in ihm. Ihre Stimme wurde lauter, ihre Worte waren von Bitterkeit durchzogen. "Eine Ehefrau, Dr. Mitchell? Sagen Sie mir, welche Art von Ehefrau lebt nach der Hochzeit getrennt von ihrem Mann? Welche Ehefrau bleibt nach drei Jahren Ehe kinderlos?"
Ihre Worte waren ein kalter, sarkastischer Dolch, triefend vor Spott.
Brooklyns Blick wanderte instinktiv zu dem Mann, der auf dem Bett lag. Sein Gesicht war eine Maske aus eisiger Gleichgültigkeit, seine Lippen fest verschlossen.
Reue nagte an ihr. Sie war töricht gewesen zu glauben, er würde sich zu ihrer Verteidigung erheben.
Hatte sie sich nicht nach drei langen Jahren an seine Gleichgültigkeit gewöhnt?
In der Tat, Brooklyn hatte sich an seine Kälte angepasst und sehnte sich nicht mehr nach seiner Wärme.
"Frau Turner, Sie scheinen sich gut in meinen Angelegenheiten auszukennen," entgegnete sie, ihre Stimme von einem bitteren Lachen begleitet. "Aber lassen Sie mich Sie daran erinnern, egal unter welchen Umständen, ich bin seine Frau und Sie bleiben nichts weiter als eine Geliebte."
Die Spannung im Krankenzimmer war greifbar. Megans Hass auf Brooklyn war so stark wie vor drei Jahren. Doch sie konnte nie die Oberhand gewinnen.
Brooklyn hatte es geschafft, sie mit nur wenigen Worten aus der Fassung zu bringen.
Megans Fortschritt war in der Tat stagnierend.
Megans Lippen verzogen sich zu einem kalten Lächeln. "Und was ist damit? Sebastians Herz gehört nicht dir. Abgesehen davon, dass du seine Frau bist, bist du nichts! Mach dir nichts vor!"
Brooklyns Fäuste ballten sich in ihren Taschen. Megans Worte hatten einen Nerv getroffen und ließen ihr Herz schmerzen.
Ihre Ehe war seit drei Jahren eine Farce. Abgesehen von der Nacht ihrer Hochzeit, als er in betrunkenem Zustand ihre Unschuld beanspruchte, hatten sie wenig Zeit miteinander verbracht. Ihr erzwungenes Zusammenleben war immer von Spannungen geprägt.
In Wahrheit war sie nur Sebastians Frau dem Namen nach und lebte seit drei Jahren ein einsames Dasein.
Aber Brooklyn weigerte sich, sich täuschen zu lassen. Ihr Ton änderte sich, ihre Stimme war von eisigem Lachen durchzogen. "Ja, genau wegen dieses bedeutungslosen Titels kannst du nur aus der Ferne zusehen und meinen Mann, meinen Status begehren. Aber denk daran, ich werde immer seine Frau sein."
Brooklyns Worte waren ruhig und fest, aber sie ließen Megan völlig besiegt zurück.
In ihrer Verzweiflung griff Megan zu ihrer letzten Waffe. Sie klammerte sich an Sebastians Arm, ihre Tränen flossen frei. "Sebastian, siehst du nicht, wie schamlos sie ist? Sie weiß, dass du sie nicht willst, und doch klammert sie sich an dich!"
Brooklyns Stirn legte sich in Falten.
Tränen waren eine einfache und effektive Waffe für Frauen, aber Brooklyn hatte nie gelernt, sie zu nutzen, noch hatte sie das Verlangen danach.
Selbst in ihren dunkelsten Momenten des Schmerzes und der Verzweiflung würde sie niemals zulassen, dass Sebastian ihre Tränen sah.
Sebastians Blick wanderte kurz zu Megan, bevor er sich wieder auf Brooklyn richtete. Sein eisiger Blick bohrte sich in sie. "Geh."
Er war so beschützend gegenüber seiner Geliebten, dass er seine eigene Frau vergessen hatte.
Aber andererseits wurde Brooklyn nie wie eine Ehefrau behandelt. Sie war lediglich ein schönes Schmuckstück, das für Gäste zur Schau gestellt und ansonsten vergessen wurde.
Brooklyns Lachen war kalt und bitter. "Gehen? Du bist mein Patient, und ich bin deine Ärztin. Es ist meine Pflicht, deine Wunden zu untersuchen. Diejenigen, die hier keinen Zweck erfüllen, sollten gehen."
Ihre Worte machten deutlich, dass Megan die unerwünschte Anwesenheit war.
Vor drei Jahren waren Brooklyn und Megan enge Freundinnen gewesen. Brooklyn hatte beinahe ihr Leben für Megan verloren. Doch Megan hatte geplant, Brooklyns Ehemann zu verführen und einen Angriff auf Brooklyn zu inszenieren.
Megan konnte Unschuld vortäuschen, aber Brooklyn konnte nicht vergessen.
Megans Tränen flossen frei, ihre Schluchzer hallten im Raum wider. Sie war eine Schauspielerin, geschickt darin, auf Kommando zu weinen und ein Gefühl der Ungerechtigkeit zu vermitteln.
Doch Brooklyn blieb ungerührt.
Mit einer eisigen Ungeduld erteilte Sebastian einen strengen Befehl: "Geh, und zwing mich nicht, mich zu wiederholen." Seine kalte Stimme hallte im Raum wider.
Brooklyns Griff um den Ordner in ihrer Hand verstärkte sich. Seine Worte wirkten wie eine Ohrfeige, die sie vor seiner Geliebten demütigte.
Lachen war für Brooklyn keine Option mehr. Sie ballte die Faust und entgegnete: "Ich bin deine Ärztin, und es ist meine Pflicht, dich zu untersuchen. Auch ich möchte mich nicht wiederholen."
Ohne Vorwarnung trat Brooklyn vor und stieß die zarte Megan energisch aus dem Weg.
Megans Mund klappte vor Schock auf. Sie hatte nie mit solcher Kühnheit von Brooklyn gerechnet!
Sebastians durchdringender Blick fiel auf Brooklyn, als ob er versuchte, ihre Seele zu durchbohren.
Brooklyn ignorierte seinen Blick, setzte geschickt ihr Stethoskop auf und hob sein Hemd. Das kalte Instrument berührte seine Haut und ließ einen Schauer über seinen Körper laufen.
Nachdem sie seinen Herzschlag abgehört hatte, hängte Brooklyn das Stethoskop wieder um ihren Hals und holte eine kleine Taschenlampe aus ihrer Tasche. "Mach den Mund auf," befahl sie.
Sebastian fühlte eine Welle der Hilflosigkeit über sich hinwegrollen.
Brooklyns Geduld schwand. "Ich sagte, mach den Mund auf."
Megan, die fassungslos hinter ihnen stand, rief aus: "Brooklyn, wie kannst du es wagen, so mit Sebastian zu sprechen!"
Brooklyn ignorierte Megan und konzentrierte sich ausschließlich auf Sebastians Lippen. Der Lichtstrahl der Taschenlampe hob seine perfekte Lippenlinie hervor und ließ ihre Kehle sich zusammenziehen. Das waren die Lippen, die einst ihre beansprucht hatten, die einen Weg entlang ihres Schlüsselbeins gezeichnet hatten, die ihren ganzen Körper erkundet hatten...
"Entweder sei still oder geh. Kannst du die Konsequenzen einer Fehldiagnose tragen?" entgegnete sie.
Megan kochte innerlich vor Wut, wagte es aber nicht, ihre Verärgerung laut zu äußern.
Sebastian, mit einem Stirnrunzeln, gehorchte und öffnete den Mund.
"Streck die Zunge raus," wies Brooklyn an.
Ohne ein Wort gehorchte Sebastian.
"Alles klar."
Brooklyn schaltete die Taschenlampe aus und steckte sie zurück in ihre Tasche, während sie schnell ein paar Zeilen in die Krankenakte schrieb.
Von Neugier getrieben, beugte sich Megan vor, um einen Blick darauf zu werfen. Brooklyn präsentierte ihr selbstbewusst die Krankenakte. "Kannst du das verstehen?" fragte sie, ihr Ton triefend vor Sarkasmus.
Megan war sprachlos.
Sebastians tiefe, rätselhafte Augen musterten Brooklyn. Ein unerklärliches Gefühl regte sich in ihm und berührte sanft sein Herz.
Brooklyns jüngste Handlungen hatten Sebastian wütend gemacht. Die Vorstellung, von einer Frau herumkommandiert zu werden, war für ihn zutiefst verstörend.
"Jetzt geh."
Brooklyn setzte den Deckel auf ihren Stift, ein scharfer Schmerz durchbohrte ihr Herz. Ihr Gesicht jedoch blieb unbewegt. "Es ist erledigt. Ich brauche keine Einladung, um zu gehen. Ich werde es aus eigenem Antrieb tun."
Damit verließ Brooklyn das Krankenzimmer, den Kopf hoch erhoben.
Ein plötzlicher "Krach" hallte durch den Raum. Das Geräusch von zerbrechendem Glas durchdrang ihre Trommelfelle. Sie zögerte nicht in ihren Schritten, aber ihr Ausdruck verriet ihre Fassung.
Hatte er wirklich vorgehabt, das Glas nach ihr zu werfen?
Seine Verachtung für sie hatte ein solches Extrem erreicht.
"Sebastian, sei nicht wütend. Sie ist es nicht wert, dass du dich aufregst. Beruhige dich, Sebastian. Diese Schlampe Brooklyn..."
Brooklyn wollte den Rest nicht hören.
Ein Windstoß fegte durch den Flur und brachte eine beißende Kälte mit sich. Brooklyns ruhige Fassade verbarg ihr inneres Chaos.
Was spielte es für eine Rolle, ob sie Megan besiegt hatte?
In Sebastians Augen würde Brooklyn immer ein Versager bleiben, ein ewiger Underdog ohne Hoffnung, jemals die Oberhand zu gewinnen.
Sie hob den Kopf in einer selbstironischen Geste, holte tief Luft und machte sich auf den Weg zurück zum Bereitschaftsraum.
Ihr Nachmittag war von einer Reihe von Notfällen geprägt, und als sie es geschafft hatte, alle zu bewältigen, war es bereits nach fünf.
Heute Nacht war nicht Brooklyns übliche Nachtschicht, aber George hatte sie gebeten, Sebastian volle vierundzwanzig Stunden zu überwachen. Das bedeutete, dass sie eine zusätzliche Schicht übernehmen musste. Mit einem Gefühl der Unruhe im Krankenhaus aß sie schnell ihr Abendessen und kehrte in den Bereitschaftsraum zurück. Eine Gruppe untätiger Krankenschwestern war in ihr übliches Getratsche vertieft.
"Megan war heute hier und hat sich um Sebastian im VIP-Bereich gekümmert. Die Flure waren voller Reporter! Es war ein richtiges Spektakel!"
"Also ist Megan wirklich mit Sebastian zusammen? Reiche Männer haben wirklich eine Vorliebe für glamouröse Stars und junge Models."
"Sebastian ist so gutaussehend! Er könnte jede Frau haben, die er will! Es gibt eine ganze Reihe von Frauen, die auf ihn warten! Ich würde alles für eine Nacht mit Sebastian geben."
"Du hast wirklich noch nichts gesehen!"
"Ich habe die Welt gesehen, aber ich habe noch nie einen so attraktiven Mann wie ihn getroffen."
Als Brooklyns Schritte näher kamen, verstummten die Krankenschwestern.
"Dr. Mitchell... haben Sie auch Nachtschicht?" fragte eine Krankenschwester vorsichtig.
Brooklyn öffnete ein medizinisches Buch, warf einen Blick darauf und antwortete leise: "Ja."
Mehrere Krankenschwestern tauschten nervöse Blicke aus, bevor eine von ihnen fragte: "Dr. Mitchell, wir haben gehört, dass George Sie gebeten hat, sich um Sebastian zu kümmern... Wen haben Sie in jener Nacht mit auf die Visite genommen?"
Normalerweise würde der behandelnde Arzt von ein oder zwei Krankenschwestern bei den Visiten begleitet werden. Brooklyn, die als Internistin plötzlich dem VIP-Bereich zugewiesen worden war, hatte die Befugnis, ihre eigenen Krankenschwestern auszuwählen. Brooklyn blätterte in ihrem Buch und fragte: "Was?"
In der Hoffnung auf eine Chance sagten die Krankenschwestern eifrig: "Dr. Mitchell, können Sie mich mitnehmen?"
"Und mich..."
"Und mich..."
Brooklyn warf einen Blick auf die diensthabenden Krankenschwestern. Ihre Nachtschicht war in der Tat eintönig, und sie brauchten etwas, um sich zu beschäftigen. Aber Sebastian war nicht jemand, den sie einfach besuchen konnten.
Das war absurd.
Sebastian war ihr Mann, und obwohl sie ihn nicht ganz für sich beanspruchen konnte, war sie sicherlich nicht großzügig genug, ihn mit anderen zu teilen.
"Ich gehe allein."
Die Krankenschwestern waren sprachlos.
"Ding ling ling..."
Das monotone und dringende Geräusch des Alarms erfüllte plötzlich den Bereitschaftsraum.
"Brooklyn, was ist los mit dir? Ich habe dich als Sebastians behandelnde Ärztin ernannt, weil ich glaubte, dass du reif und verantwortungsbewusst bist. Und doch hast du nicht einmal bemerkt, dass der Patient Fieber hat? Du bist Ärztin. Muss ich dich daran erinnern, wie ernst es ist, wenn ein Patient mit gastrointestinalen Blutungen Fieber bekommt?"
Eine Flut von Kritik ließ Brooklyn erstarren. Sebastian hatte Fieber?