




Kapitel 1 Tut es weh?
Ein scharfer Schmerzensschrei hallte durch die sterilen Räume der Notaufnahme. "Aua!" Die Stimme war männlich, angespannt vor Unbehagen.
"Tut es weh?" Die Frage kam von einer Frau, ihr Tonfall ruhig, fast unheimlich gelassen.
"Nicht..." Seine Antwort wurde abrupt unterbrochen, als eine weitere Frage folgte.
"Und hier?"
"Nein..."
"Und hier?"
"Ah! Das tut weh!" Sein Stöhnen vor Schmerz war das einzige Geräusch, das den Raum für einen Moment erfüllte, gefolgt von der Stimme der Frau, nun klinisch und distanziert.
"Der Patient hat eine akute Blinddarmentzündung. Planen Sie sofort die Operation."
Kaum war die Diagnose gestellt, erschien eine Krankenschwester und führte den stöhnenden Patienten weg. Die Frau, Brooklyn Mitchell, zog ihre medizinischen Handschuhe mit geübter Leichtigkeit aus. Ihr Gesicht war emotionslos, als sie die Handschuhe in einen nahegelegenen Mülleimer warf. Dann wandte sie sich der Aufgabe zu, den Zustand des Patienten zu dokumentieren.
Während sie ihre Notizen abschloss, drang das gedämpfte Summen von Gesprächen an ihre Ohren. Mehrere Krankenschwestern hatten sich gerade außerhalb des Raumes versammelt, ihre Flüstereien trugen einen Hauch von Bewunderung.
"Dr. Mitchell ist wirklich die beste Ärztin in unserer Inneren Medizin. Sie war gerade unglaublich."
"Ja, aber es ist schade. Dr. Mitchell kann alles, nur in der Liebe hat sie kein Glück. Sie ist immer noch nicht verheiratet."
"Stimmt. Wer würde sich trauen, jemanden so herausragenden wie Dr. Mitchell zu heiraten?"
Die Flüstereien verblassten allmählich im Hintergrund. Brooklyns Hand glitt instinktiv in die Tasche ihres weißen Kittels, ihre Fingerspitzen strichen über das kühle Metall eines Verlobungsrings. Die Worte der Krankenschwestern hallten in ihrem Kopf wider, schmerzten trotz ihrer besten Bemühungen, sie zu ignorieren.
Kein Glück in der Liebe? Immer noch nicht verheiratet? Niemand traute sich, sie zu heiraten?
Solche Gespräche waren wirklich unangenehm. Doch Brooklyn, die seit drei Jahren verheiratet war, war längst immun gegen solches Gerede. Die Ironie des Ganzen entging ihr nicht. Drei Jahre Ehe, und doch konnte sie die Anzahl der Male, die sie ihren Mann gesehen hatte, an einer Hand abzählen. Sie waren rechtlich gebunden, doch sie waren mehr Fremde als die Passanten auf der Straße.
Wie sehr verachtete er sie?
Brooklyn schüttelte die aufdringlichen Gedanken ab und griff erneut nach der Patientenakte. Es war Zeit für ihre Visite.
Die Krankenhausflure waren schwer vom Geruch nach Desinfektionsmittel. Ihre hochhackigen Schuhe klackten rhythmisch auf dem polierten Boden, das Geräusch hallte von den sterilen Wänden wider. Der Saum ihres weißen Kittels schwang leicht bei jedem Schritt, die einfache Uniform verstärkte irgendwie ihre einzigartige Aura.
Als sie um eine Ecke bog, hörte sie ein weiteres gedämpftes Gespräch.
"Ich habe gerade unseren Klinikdirektor zur Notaufnahme eilen sehen. Es scheint, dass es einen wichtigen Patienten gibt. Mein Gott, was für ein Patient könnte Mr. Clark persönlich kommen lassen?"
"Ich weiß es nicht. In Aucester gibt es viele reiche und einflussreiche Leute. Auch die können krank werden."
"Aber denk mal nach, wie viele Leute können Mr. Clark persönlich kommen lassen?"
Die Murmeln waren gedämpft, voller Spekulationen. Es war klar, dass der Klinikdirektor, George Clark, nicht leicht zu beunruhigen war.
Brooklyn erlaubte sich ein kleines, spöttisches Lächeln. Ihr Blick blieb fokussiert, ihre Aufmerksamkeit unbeeindruckt von dem müßigen Klatsch. Als ihre Schritte lauter wurden, verstummten die Krankenschwestern weise.
Die Begrüßungen der Krankenschwestern taten nichts, um Brooklyns entschlossenen Schritt zu verlangsamen. Ihre kühle, ernste Haltung war ihr Markenzeichen. Trotz ihrer Position als gewöhnliche Ärztin zog ihre ruhige und erhabene Art die Aufmerksamkeit auf sich.
Nachdem sie ihre Visite beendet hatte, fand sich Brooklyn auf dem Weg zur Toilette wieder, wo sie sich vor dem Waschbecken positionierte. Die Patientenakte, die sie getragen hatte, fand vorübergehend auf dem hölzernen Regal in der Nähe Platz, während sie sich vorbeugte, um ihre Hände zu waschen.
"Dr. Mitchell, Sie sehen ziemlich blass aus. Haben Sie nicht gut geschlafen?" fragte Maria Davis, eine Kollegin aus derselben Abteilung, mit echter Besorgnis in der Stimme.
Brooklyn hielt inne und betrachtete ihr Spiegelbild. War ihr Teint wirklich so schlecht?
"Ich nehme an, ich war in letzter Zeit etwas müde," antwortete sie, ihr Tonfall gleichgültig.
"Frauen sollten besser auf sich achten, egal ob sie in einer Beziehung sind oder nicht," riet Maria, ein neckender Unterton schlich sich in ihre Stimme.
Brooklyn war dieses ermüdende Thema nur allzu vertraut. Sie entschied sich, zu schweigen, was Maria dazu brachte, ihren Fehltritt zu erkennen und sich hastig zu entschuldigen.
Wieder allein, studierte Brooklyn ihr Spiegelbild, ihr Gesicht wirkte klein und angespannt. Sie konnte nicht umhin, sich zu fragen, ob das müßige Gerede der Krankenschwestern begonnen hatte, ihre Stimmung zu beeinflussen.
Gedanken an ihren Ehemann hatten begonnen, häufiger in ihren Kopf zu dringen, trotz ihres festen Entschlusses, sich nie wieder zu erlauben, ihn zu lieben. Doch ihre Liebesgeschichte war noch immer lebendig in ihrer Erinnerung, ein Zeugnis der leidenschaftlichen Liebe, die sie einst für ihn empfunden hatte.
Ihre Finger strichen über den Ring, den sie trug, eine ständige Erinnerung an ihren Familienstand. Es war eine notwendige Vorsichtsmaßnahme, falls er jemals ein Treffen fordern würde. Es wäre unpassend, ohne ihn zu erscheinen.
"Dr. Mitchell! Da sind Sie ja! Kommen Sie schnell, Mr. Clark braucht eine Assistenz und hat speziell nach Ihnen gefragt!" Die Stimme einer Krankenschwester hallte durch den Raum, die Dringlichkeit war deutlich zu hören. Der Schweiß auf ihrer Stirn war ein klares Zeichen für die Schwere der Situation.
"Verstanden," antwortete Brooklyn ruhig, nahm die Patientenakte und machte sich schnell auf den Weg zur Notaufnahme.
Die Atmosphäre in der Notaufnahme war von Spannung durchdrungen, ein Gefühl der Angst lag in der Luft. Brooklyn konnte nicht umhin, sich zu fragen, wer der Patient war, der den sonst so gefassten Mr. Clark aus der Ruhe gebracht hatte.
Als sie sich dem Bett näherte, überkam sie eine Welle der Überraschung, die sie innehalten ließ. Ihr Blick wurde auf den Mann gelenkt, der auf dem Bett lag, seine blasse, aber dennoch beeindruckende Präsenz ließ ihr Herz schneller schlagen!
Die Stirn des Mannes war gerunzelt, seine sonst so lebendige Haut war nun schweißnass. Sein durchdringender Blick war kälter als der härteste Winter, und seine dünnen Lippen waren fest zusammengepresst. Sein Schweigen war einschüchternd, es machte die Menschen zögerlich, sich ihm zu nähern.
Konnte es...er sein?
"Reiß dich zusammen! Der Patient leidet an Magenblutungen, wir müssen sofort mit der Behandlung beginnen!" Georges Stimme durchbrach ihren Schock und holte sie in die Realität zurück. Der Grund für Georges Besorgnis war nicht die Schwere des Zustands des Patienten, sondern dessen Bedeutung.
Er war ein Mann, der zweifellos Georges persönliche Aufmerksamkeit verdiente.
Wer war er?
Das war Sebastian Kingsley, der Präsident der Kingsley Group in Aucester, ein Mann, dessen Einfluss leicht den Aktienmarkt beeinflussen konnte.