




Kapitel 4
Das Glück war Annabelle ausnahmsweise hold. Es war ihr gelungen, sich in die dunkle Küche zu schleichen und ein Brot und ein Stück Käse zu ergattern. Sie füllte einen Weinschlauch mit Wasser und hängte ihn sich über die Schulter.
Lautlos schlich sie aus dem Schloss, blieb in den Schatten und die patrouillierenden Wachen gingen zweimal an ihr vorbei. Jedes Mal hielt sie den Atem an, als sie direkt an ihr vorbeigingen. Die Kapuze des Umhangs verbarg ihr blondes Haar und der Schmutz auf ihrem Gesicht tat das Übrige.
Als sie den Wald erreichte, rannte sie. Sie rannte, was sich wie Stunden anfühlte, durch dicht stehende Bäume und Unterholz und fiel dreimal hin. Ihr Knöchel pochte, aber sie konnte noch laufen, und solange sie sich noch bewegen konnte, würde sie rennen.
Sie wusste, dass sie ein paar Stunden hatte. Man würde ihr Fehlen erst bemerken, wenn Frau Müller sie kurz vor Sonnenaufgang wecken wollte. Sie würden ein paar Minuten nach ihr suchen, bevor sie einem der Wachen Bescheid sagten. Es könnte bis zu einer halben Stunde dauern, bis der König alarmiert würde und er Wachen nach ihr schickte.
Mit etwas Glück würden sie erst nach dem Frühstück mit der Suche beginnen. Sie hatte aus dem Schloss gestohlen und wusste, dass die Strafe dafür der Tod war, ebenso wie die Strafe für das Weglaufen. Sie würden sie zurückschleifen und im Hof töten.
Ein Schauer lief ihr über den Rücken, während sie weiterging. Sie wagte es nicht anzuhalten und tat es nur einmal, um den Weinschlauch an einem Bach aufzufüllen. Sie aß im Gehen und wagte es nicht einmal, zum Urinieren anzuhalten. Es war erniedrigend, im Gehen zu urinieren, aber sie hatte keine andere Wahl.
Sie würde sich in einem Bach waschen, sobald sie den Wald hinter sich gelassen und die Stadt im Tal dahinter erreicht hatte. Sie würde irgendwo, irgendwie ein neues Leben aufbauen. Sie wusste, dass ihr Leben als Prinzessin vorbei war, sie würde nie wieder Annabelle sein.
Sie hatte keine Ahnung, wie weitläufig der Wald war, und manchmal fühlte es sich an, als würde sie im Kreis laufen. Den ganzen Tag über war sie unterwegs, und mittags war das Essen aufgebraucht. Sie war inzwischen an Hunger gewöhnt und hatte das Essen so schnell verschlungen, dass ihr übel wurde und sie die Galle hinunterschlucken musste.
Als sie das letzte Wasser trank, erbrach sie alles und verfluchte sich leise. Der Tag zog sich hin, und ihre Füße schmerzten und brannten. Sie wusste, dass es unwahrscheinlich war, dass sie wieder aufstehen würde, wenn sie sich ausruhte, also drängte sie weiter vorwärts.
Als die Sonne unterging und sie keine Verfolgungsgeräusche hinter sich hörte, wusste sie, dass sie bald anhalten musste. Sie ging weiter, suchte nach einem überwucherten Baum mit freiliegenden Wurzeln, wo sie sich ausruhen konnte, oder einer Höhle, eine Höhle wäre jetzt ein Segen.
Ihre Hoffnungen wurden zunichte gemacht, als sie nicht einmal einen Baum fand, auf den sie klettern konnte, alle Äste waren zu hoch, um sie zu erreichen, und sie klammerte sich an die dünne Decke, die sie um sich gewickelt hatte. Ihr Magen knurrte und ihr war schwindelig.
Sie stolperte über eine freiliegende Wurzel und fiel hart zu Boden. Sie hatte sich die Knie aufgeschürft und ihr Kleid zerrissen. Sie blieb auf dem Boden liegen, und ein Schluchzen durchfuhr sie. Sie hob ihre schmutzverkrusteten Hände zu ihrem Gesicht und weinte.
Wie hatte ihr Leben so enden können? Sie drehte sich auf die Seite und kauerte sich zusammen. Ihr ganzer Körper schmerzte, und ihre Füße fühlten sich an, als würden sie brennen. Sie plante, nur für ein paar Minuten die Augen zu schließen, aber in dem Moment, als sie sie schloss, schlief sie tief und fest.
Sie träumte von längst vergangenen Tagen. Sie träumte von einem dampfend heißen Bad vor dem Kamin. Eine Magd, die ihr langes Haar bürstete und flocht. Sie konnte die nach Rosen duftenden Öle im Bad riechen, die ihre Haut parfümierten.
Sie konnte das weiche Bärenfell auf ihrem Federbett fühlen, die weichen Kissen, die sich der Form ihres Kopfes anpassten, als sie sich mit einem verträumten Lächeln hinlegte. Ein Frühstückswagen mit dickem Eintopf und warmem, frischem Brot. Sie konnte den Honig auf ihrer Zunge schmecken, warme Kuchen mit Beeren.
Die weiche Seide ihrer Kleider und Strümpfe an ihren Füßen. Warme Laken um ihren Körper. Die Wärme umhüllte sie. Sie träumte davon, auf dem Schoß ihres Vaters zu sitzen, während er ihr Geschichten von ihrer Mutter erzählte, die bei der Geburt gestorben war.
Sie erinnerte sich an seine Umarmungen und die Küsse auf ihrem Kopf. Er hatte immer so groß und stark gewirkt, größer als das Leben selbst. In ihren Augen war er unzerstörbar, unfehlbar gewesen, und doch hatte Lord Waller ihn besiegt und seinen Thron beansprucht, um der neue König zu werden.
Annabelle wachte auf, als eine raue Hand sie am Arm hochzog und die süßen Träume in Angst umschlugen, als sie dem Wächter in die Augen sah. Ihre Augen weiteten sich bei dem grausamen Lächeln auf seinen Lippen, und zwei andere Wachen lachten herzhaft.
„Gefunden, du Schlampe.“
Er zog sie neben sich her, während sie durch die Bäume marschierten, die anderen beiden Wachen folgten ihnen. Selbst wenn sie sich aus dem festen Griff an ihrem Arm befreien könnte, wohin sollte sie rennen? Sie waren größer und schneller als sie, sie würden sie finden und töten.
„Bringt ihr mich zurück?“
Der Wächter warf ihr einen Blick zu und lächelte dann, wobei er seine schwarzen Zähne zeigte. „Das wäre zu einfach, Schlampe, du marschierst in deinen eigenen Tod, weil du weggelaufen bist.“
„Es tut mir leid …“
Alle drei Wachen lachten sie aus und gingen weiter. Ihre Füße schleiften über den Boden, und mehr als einmal musste der Wächter sie grob auf die Beine ziehen. Sie kamen zu einer Lichtung, wo er sie losließ und sie zu Boden fiel, dankbar für die Atempause.
Der zweite Wächter, der einen dicken Bauch hatte, zog sie wieder auf die Beine und riss das dünne Hemd von ihrem Körper. Darunter trug sie ein durchsichtiges Kleid, das sich an ihren Körper schmiegte und nichts verbarg. Es war ihr Unterkleid aus dem Schloss, und sie hatte es erst vor zwei Monaten mit dem Hemd überzogen.
Er streckte eine Hand nach ihr aus, und sie schlug seine Hand weg. Der wütende Blick ließ sie die Augen schließen, als seine Hand hart auf ihr Gesicht schlug. Seine schmutzige Hand griff nach ihrer Brust und kniff schmerzhaft ihre Brustwarze.
Sie wimmerte, während er grausam lachte. „Hast du Hunger, Schlampe?“
Sie sah ihn fragend an. Sie nickte demütig, weil sie am Verhungern war. Er grinste wieder und die anderen beiden Wachen lachten. Sie sah entsetzt zu, wie er seine Hose öffnete und seinen Schwanz herausholte.
Sie konnte nicht anders, als hinzusehen. Es war ein hässliches, dickes Ding mit Adern, die an den Seiten entlangliefen. Ein Gedanke ging ihr durch den Kopf. Sie hatte gedacht, dass er größer wäre, weil er ein großer Mann war. „Lutsch daran, Schlampe, und füll dich auf.“
Seine Worte waren grob, und sie konnte kaum glauben, dass er sie gesagt hatte. Sie würgte, und der Mann sah nun wütend aus, als er sie auf die Knie drückte. „Ich sagte, lutsch daran!“ Er griff schmerzhaft nach ihrem Hals und zwang ihren Kopf zu seinem entblößten Schwanz.
Die nächsten Ereignisse verschwammen vor ihren Augen, als Blut um sie herum spritzte und sie um ihr Leben schrie. Sie schloss die Augen fest und sank auf die Knie. Ihre Hände presste sie über ihre Ohren, weil das Schreien nicht aufhörte.
Das Letzte, was sie bemerkte, war der große Mann, der auf sie zukam, bevor alles schwarz wurde. Ihre Augenlider flatterten, und sie bewegte sich auf dem weichen Bett. Ein Bett? Sie setzte sich sofort auf und nahm die Wärme des weichen Bärenfells und der Federbettmatratze unter sich wahr.
„Wo bin ich?“ dachte sie bei sich, während sie sich umsah und ihre Augen sich an die Dunkelheit gewöhnten.
Ein Licht kam durch den Spalt in der Tür, und sie konnte ein Feuer knistern hören. Sie hörte auch andere Geräusche, aber die Stöhnen waren leise, und sie wusste nicht, ob sie die Geräusche wirklich hörte. Sie musste in einem Traum gefangen sein, weil Harp sie gerade tötete. Vielleicht war sie tot?
Sie schlich zur Tür und öffnete sie ein wenig. Eine Frau saß auf einem Mann, eindeutig nackt, während sie ihn ritt, so gut sie konnte. Annabelle wusste, dass sie einen so privaten Moment zwischen einem Mann und einer Frau nicht beobachten sollte, aber sie konnte ihre Augen nicht abwenden.
Sie konnte nur den Hinterkopf und die Schultern des Mannes sehen, muskulöse Schultern, die sich bei jeder Bewegung anspannten, Grunzen und Stöhnen. Die Augen der Frau waren geschlossen, und sie fühlte ein seltsames Gefühl zwischen ihren eigenen Beinen, als die Frau aufschrie und ihren Rücken durchbog.
Sie eilte zurück zum Bett und schloss die Augen fest, als der Mann aufstand. Ihr Herz schlug heftig, und sie zwang sich, normal zu atmen. Sie konnte eine Feuchtigkeit zwischen ihren Beinen spüren, und Scham färbte ihre Wangen, als sie ihre Hand auf die Stelle drückte, die noch nie jemand anderes berührt hatte.
Sie hatte keine Ahnung, wo sie war, wer der Mann und die Frau im anderen Raum waren, und hier war sie, berührte sich selbst in jemandes anderem Bett. Was war nur los mit ihr? Sie hatte noch nie zuvor eine Anziehung zum Hinterkopf eines Mannes gespürt.
Sie konnte nicht anders, als den Gesprächen des Mannes und der Frau zu lauschen. Ihre Finger fanden die Feuchtigkeit, und sie begann zu reiben, ein aufregendes Gefühl durchströmte sie, wärmte sie mehr als das Bärenfell, bis sie bemerkte, dass der Mann die Frau bezahlte.
Das dämpfte ihre Erregung sofort, und sie zog ihre Finger weg, die Feuchtigkeit ließ sie nun übel werden. Sie war erregt gewesen, als sie eine Hure bei ihrer Arbeit beobachtete! Es war fast widerlich, als sie das Bärenfell fest umklammerte.