




Kapitel 3 Eine kühle Reise
- BEA -
Die Kutsche ruckte heftig, als sie in ein tiefes Schlagloch auf der Straße geriet. Die Bewegung warf Bea zur Seite und dann schnell wieder in die andere Richtung. Sie griff nach der Türseite, um nicht weiter gegen die Seitenwand zu stoßen.
Savonnuh saß schweigend da und starrte blind aus dem Fenster. Bea bezweifelte, dass sie die Dinge sah, die ihre Augen berührten. Sie war wie eine wandelnde Tote gewesen, während sie packten.
Fast sofort hatten die Meister sie neben Savonnuh platziert. Sie sagten ihr: „Du bist jetzt ihre Zofe. Du wirst ihr folgen, ihr dienen und sie bewachen. Wenn du das Schloss des Prinzen erreichst, MUSST du uns über alles Verdächtige berichten und uns auf dem Laufenden halten.“
So hatte Bea den größten Teil der letzten Woche damit verbracht, zuzusehen, wie die Diener Savonnuhs Sachen packten, und als es Zeit war aufzubrechen, beobachtete sie, wie das Mädchen gedankenlos von ihrem Zimmer zur Kutsche ging. Bea hätte sich durch die Stille und die wenigen Aufgaben, die von ihr verlangt wurden, gesegnet fühlen können, aber sie konnte nicht anders, als eine Vorahnung im Wind zu spüren.
Ein weiteres Ruckeln warf Savonnuh nach vorne auf den Kutschenboden. Sie saß einfach da, unbeweglich und starrte ins Leere.
Bea kniete sich hin und zog sie zurück auf ihren Sitz. „Es wird alles gut, Savonnuh. Ich bleibe bei dir. Wer weiß, vielleicht hatte deine Mutter recht. Vielleicht wirst du deine Position im Schloss des Prinzen genießen.“
Stille begegnete Bea. Anstatt weiter zu reden, schaute auch sie aus dem Fenster. Sie kehrte nicht auf ihren ursprünglichen Platz zurück, da sie das Gefühl hatte, dass Savonnuh die Wärme gebrauchen konnte.
Draußen war es eisig kalt und kaum besser in der Kutsche. Die schwarz-weißen Bäume zogen vorbei, bedeckt von Schneeschichten. Obwohl die Sonne hell schien, fühlte sich die Landschaft tot an. Der Schnee türmte sich draußen hoch auf und die Geräusche der Natur schienen an ihrem Ausgangspunkt zu verharren. Keine Vögel zwitscherten. Keine Tiere huschten über den Boden. Nur mehr schneebedeckte Bäume und Ödnis.
Ein Klopfen an der Seite der Kutsche ließ beide Mädchen zusammenzucken. Savonnuhs Eltern hatten zwei Wachen mitgeschickt. Sie waren neben der Kutsche geritten. Sie hatte sie fast vergessen. Es war gedämpft, aber sie hörte den Wächter sagen: „Wir halten an. Macht euch bereit.“
„Anhalten? Sind wir da?“ murmelte Bea vor sich hin. Sie waren fast eine Woche lang unterwegs gewesen. Sie hatten nur zweimal angehalten, um neben der Straße zu schlafen. Die Wachen hatten den Mädchen Brotschalen gemacht. Aber sobald sie das schneebedeckte Land erreicht hatten, hielten sie überhaupt nicht mehr an und fuhren die ganze Nacht durch. Bea hatte erwartet, dass Savonnuh etwas sagen würde, irgendetwas. Es konnte nicht bequem für sie gewesen sein, in der Kutsche zu schlafen, aber sie blieb stumm.
Bea störte es nicht so sehr. Ehrlich gesagt, war es luxuriöser als alles, was sie zuvor gehabt hatte. Es war definitiv besser als der Schlamm und das Heu der Schweineställe.
Langsam hielt die Kutsche vor einem zweistöckigen Gebäude. Das Dach hing tief, und der Schnee hatte sich so hoch aufgetürmt, dass der Bodenschnee den Dächerschnee traf und das große Gebäude in Weiß verbarg.
Einer der Wächter öffnete die Tür und hielt eine Hand heraus. Savonnuh rührte sich nicht.
Bea ließ einen Seufzer der Frustration aus ihren Lungen entweichen. Er hielt die Tür offen, und der stürmische Wind schlug eisige Luft in das kleine Abteil, aber Savonnuh bewegte sich immer noch nicht.
Also stand sie auf und zog Savonnuh wieder mit sich. Sie ergriff nicht die Hand des Wächters. Sie wusste es besser. Sie hatte versucht, sich wie eine Zofe zu verhalten, irgendwie auf der Ebene des Wächters, aber sie behandelten sie immer noch wie eine Sklavin. Gemein und brutal.
Stattdessen stieg sie aus der Kutsche und hielt Savonnuhs Hand, während sie sie in das Gasthaus führte.
Die Atmosphäre drinnen war lärmend. Fast zu laut für ihre Ohren. Besonders nach so langer Stille. Sie entdeckte einen Tisch im hinteren Bereich, nahe dem Feuer, und machte sich auf den Weg dorthin. So gut es ging, ließ sie sich hinter dem dunklen Tisch nieder.
Geistesabwesend bemerkte sie, wie die Wachen zum Tresen gingen und mit dem Mann dahinter sprachen. Ein Beutel wurde ausgetauscht, und Bea nahm an, dass es Gold für die Zimmer war. Schließlich kamen sie zum Tisch und setzten sich auf die andere Seite.
„Wir bleiben die Nacht hier. Die Einheimischen denken, dass es heute Nacht einen heftigen Sturm geben wird, und ich werde verdammt nochmal nicht in so einem Wetter reiten.“ Er sah erwartungsvoll zu Savonnuh, aber sie sagte nichts.
„Okay.“ sagte Bea leise. Das war alles, was Bea zu sagen wagte. Ehrlich gesagt, war es schwer, überhaupt das zu sagen. Das Letzte, was sie wollte, war ein blaues Auge für die Nacht. Mit diesem Gedanken fragte sie sich, auf welchem Stuhl sie schlafen würde, und ihre Augen wanderten durch den Raum. Es gab ein paar knorrige und ein paar, die wackelig waren oder eine Rückenlehne fehlten. Sie war gerade dabei, sich zu entscheiden, als Savonnuh endlich etwas sagte.
„Ich möchte ein Bad.“ Ihre Stimme brach ein wenig vor Inaktivität.
Beide Wachen und Bea starrten das Mädchen für das, was wie eine volle Minute schien, dumm an, bevor Bea aufsprang. Ihr Meister hatte ihr eine Aufgabe gegeben. Endlich! Sie konnte helfen.
„Natürlich, Meister! Sofort!“ Ohne viel nachzudenken, rannte Bea zum Tresen und informierte den Mann, dass ein Bad für das Zimmer ihres Meisters benötigt wurde.
Nachdem er mit einem Mädchen gesprochen hatte, das hinter dem Tresen bei ihm saß, wandte er sich an Bea und erklärte, in welchen Zimmern sie übernachten würden.
Von außen war es kein großes Gasthaus, aber von innen fühlte es sich riesig an. Bea und Savonnuh gingen die Treppe hinauf und bogen mehrmals ab, bevor sie einen langen Flur fanden. Savonnuhs Zimmer war das letzte auf der rechten Seite. Sie blieben direkt davor stehen, und Savonnuh ergriff Beas Hände, während sie ihr in die Augen sah.
Bea fand Savonnuhs graugrüne Augen immer wunderschön. So viel schöner als ihre hässlichen braunen. Beas Haar war ein schlichtes Braun, wie Zweige in einem Vogelnest. Nichts im Vergleich zu Savonnuhs goldenen Locken. Selbst Savonnuhs Haut war cremig und weich, mit kaum Spuren von der Sonne. Während Beas Haut von der harten Arbeit draußen gebräunt und von Narben durch Peitschenhiebe oder schwere Arbeit gezeichnet war.
„Du warst sehr freundlich zu mir in den letzten Wochen. Danke. Ich denke, ich habe lange genug geschmollt, oder?“ Sie hielt inne und sah Bea intensiver in die Augen, bevor sie leicht nickte und lächelte. Ein Gefühl der Unruhe durchflutete Bea wie eine Flutwelle. Savonnuh bemerkte es nicht, sie sprach einfach weiter. „Ich werde ein Bad nehmen. All diese Traurigkeit abwaschen. Es wird eine Befreiung von der Traurigkeit sein, okay? Also möchte ich bis zum Morgen allein sein.“
Eine Befreiung von der Traurigkeit? Der Satz wiederholte sich in Beas Kopf. Warum klang das so trostlos? Und warum hatte sie das Gefühl, dass Savonnuh mehr als nur gute Nacht sagte?
Sie versuchte, mit ihr zu argumentieren. Schließlich war es ihre Aufgabe, immer bei ihrem Meister zu sein. Es war die Aufgabe, die ihr gegeben wurde. Aber Savonnuh brachte sie zum Schweigen, bevor sie ein einziges Wort sagen konnte.
„Ich weiß, was du sagen willst. Ich habe dich beobachtet, weißt du.“ Savonnuh griff nach oben und steckte eine lose Haarsträhne hinter Beas Ohr. „Ich weiß, dass du keine Spionin für Rebecca bist. Das habe ich immer gewusst. Aber ich brauche das, okay? Lass mich aus dieser Traurigkeit wiedergeboren werden. Morgen werde ich wieder wie neu sein, das verspreche ich.“
Was konnte Bea tun? Sie durfte ihren Meistern nicht widersprechen. „Okay, Meister.“ Die Worte verließen ihre Lippen wie ein Flüstern.
Savonnuh lächelte wunderschön, drehte dann den Schlüssel zu ihrem Zimmer und ging hinein. Sie ließ Bea im Flur zurück, die sich verloren und allein mit einem drohenden Unheil in sich fühlte. Der Satz von vorhin wiederholte sich: eine Befreiung von der Traurigkeit.