




Kapitel 5
Kapitel 5
Colette konnte spüren, dass sie mit ihrem Kleid bereits für Aufsehen sorgte. Als sie in den Hauptempfangssaal der Veranstaltung trat, durchbrach ein scharfer Pfiff die Luft. Köpfe drehten sich, Augen weiteten sich, und sie fühlte das Gewicht unzähliger Blicke auf sich. Männer und Frauen warfen ihr bewundernde oder neidische Blicke zu. An jedem anderen Tag, wenn Colette bei klarem Verstand gewesen wäre, hätte sie sich schrecklich verlegen und ungeschickt gefühlt, so viel Aufmerksamkeit zu bekommen. Sie hätte vielleicht sogar heftig errötet und sich gewünscht, im Boden zu versinken. Aber heute Abend war es ihr fast egal.
Ihre Tante, die sie seit ihrer Kindheit großgezogen hatte, hatte immer einen Spruch, der jetzt in Colettes Kopf widerhallte: „Wenn dein ganzes Haus brennt, kannst du nicht hineinrennen, um das Huhn im Ofen zu retten.“ Diese Worte hatten immer seltsam praktisch, wenn auch etwas düster gewirkt, aber jetzt passten sie perfekt zu ihrem aktuellen Gemütszustand. Ihr eheliches Zuhause brannte vor ihren Augen zu Asche nieder, und was die Leute über sie dachten oder sagten, war ihr am wenigsten wichtig. Sie kümmerte sich nicht mehr um das metaphorische brennende Huhn, wenn ihre ganze Welt in Flammen stand.
Jetzt war sie richtig im Saal, und Tanya hatte recht gehabt, als sie sagte, dass das diesjährige St. Antonius-Gala noch prächtiger war als das letzte. Der Veranstaltungsort war ein Meisterwerk luxuriöser Innenausstattung, mit glitzernden Kronleuchtern, die von der hohen Decke hingen und deren Kristalle das Licht in tausend kleine Regenbögen brachen. Die Wände waren mit reichhaltigen, dunklen Holzvertäfelungen und kunstvollen goldenen Akzenten geschmückt, während üppige, tiefrote Teppiche das Geräusch ihrer Absätze dämpften, die über den Boden klickten. Die Tische waren mit makellosen weißen Tischdecken bedeckt, bestückt mit glänzendem Silberbesteck und üppigen Blumenarrangements, die den Duft von Rosen, Lilien und Orchideen verströmten. Die Luft selbst schien vor Reichtum und Raffinesse zu schimmern.
Die Gäste passten zur Umgebung, jeder war darauf bedacht, in Designerkleidern und perfekt maßgeschneiderten Anzügen zu beeindrucken. Juwelen funkelten an Handgelenken, Hälsen und Ohren, und das Summen kultivierter Gespräche erfüllte die Luft. Colettes Herz schlug schneller, als ihre Augen umherhuschten, auf der Suche nach ihrem Ehemann unter den Hunderten von gut gekleideten Männern und schönen Frauen. Ihr Atem ging stoßweise, eine Mischung aus Angst und Entschlossenheit trieb ihre hektische Suche an, aber ohne Erfolg.
Während sie durch die Menge ging, rasten Colettes Gedanken darüber, was sie tun würde, wenn sie ihn fand. Ihn demütigen? Ihm eine schallende Ohrfeige geben und ihm vor all diesen Leuten sagen, dass sie ihn verlässt? Die Idee war berauschend. Sie lachte leise vor sich hin, ein Geräusch, das an Wahnsinn grenzte. In ihren Augen lag eine Wildheit, ein Glitzern von etwas Ungezügeltem und Freiem. Es war eine Freiheit in ihr, die Freiheit, alles zu tun, was sie wollte, weil sie wusste, dass sie unterging, aber entschlossen war, ihn mit sich zu reißen.
„Entschuldigen Sie, Fräulein – kann ich Ihnen helfen?“ Colette unterbrach ihre Suche und sah den schwarz gekleideten Herrn vor sich an. Er hatte ein gepflegtes Auftreten, mit einem Namensschild an seinem Mantel, das darauf hindeutete, dass er der Manager war. „Suchen Sie jemanden, Fräulein?“
„Ja, meinen Ehemann, Herrn Matheo Angelis“, antwortete sie. Sie hatte nicht bemerkt, dass sie laut genug gesprochen hatte, dass einige Leute um sie herum es hören konnten. Ihre Köpfe drehten sich, und sie sah Ausdrücke von Schock und Urteil, als sie offen auf ihr aufreizendes Kleid starrten. Andere schauten interessiert zu, spürten das aufkommende Drama. Die Menge teilte sich fast komisch, wie in einer Filmszene, und gab ihr einen klaren Blick nach vorne. Da stand er, im Zentrum einer Gruppe, und sah aus wie ein majestätischer Tiger unter der Menge. Und wie erwartet, stand direkt neben ihm seine Lieblingsfrau – seine kühle, blonde Sekretärin Iris. Sie trug ein elegantes schwarzes Cocktailkleid, eine Schulter war nackt, und ihr dünner Arm lag besitzergreifend wie eine Schlange um Matheo, während sie über etwas lachte, das er gesagt hatte.
Matheo sah genauso charismatisch aus wie immer, mit seinem perfekt sitzenden Anzug, der seine breiten Schultern und seine schlanke Figur betonte. Sein dunkles Haar war zurückgegelt, und seine durchdringenden Augen scannten den Raum mit der Leichtigkeit eines Raubtiers. Er strahlte Selbstbewusstsein und Macht aus und zog mühelos die Aufmerksamkeit auf sich. Die Gruppe um ihn herum war fasziniert, hing an seinen Lippen, ihr Lachen vermischte sich mit den sanften Klängen des Orchesters im Hintergrund.
„Wie geht es Brisbane, Liebling?“ Colette wusste nicht, woher sie die Kraft nahm, so zu lächeln, unschuldig wie ein neugeborenes Kind und so arglos, wie Matheo dachte, dass sie sei. Sie fand Genugtuung, als sie Matheos schockierten Gesichtsausdruck sah, seine Augen weiteten sich für einen Moment, bevor sie sich auf ihr Gesicht fixierten, als ob er nicht glauben konnte, dass seine „dumme“ Frau herausgefunden hatte, dass er hier war. Aber Emotionen zu zeigen, war nicht Matheos Stärke. Er verbarg den Schock schnell und lächelte, ohne eine Sekunde zu zögern.
„Oh, Colette, ich dachte, du würdest nie hierher kommen!“ rief er aus. Worte, dachte Colette, waren ein zweischneidiges Schwert. Was er gerade gesagt hatte, hatte eine völlig andere Bedeutung, denn während seine Lippen zu einem Lächeln verzogen waren, sprachen seine Augen eine andere Sprache. Er sah verärgert aus, dann wütend, und noch wütender, als seine Augen schließlich einen zweiten Blick auf das rote Kleid mit dem hohen Schlitz warfen, das sie trug. Bastard! Er tat so, als hätte er sie hierher eingeladen, anstatt sie anzulügen und mit seiner Sekretärin hierherzukommen.
Matheo überbrückte schnell die Distanz zwischen ihnen, sein Arm schlang sich besitzergreifend um ihre Taille. „Colette,“ knurrte er leise, nur für ihre Ohren bestimmt, sein Lächeln für das Publikum um sie herum unerschütterlich. „Was zum Teufel machst du hier in so einem Aufzug?“
„Oh, Liebling,“ antwortete Colette süßlich, ihre Stimme triefte vor Sarkasmus. „Ich wollte nur meinen geliebten Ehemann sehen. Und was wäre ein besserer Ort als die große St. Antonius-Gala?“ Sie warf einen Blick auf Iris, die sie mit dünn verschleiertem Verachtung anstarrte. „Und natürlich deine reizende Sekretärin kennenlernen.“ Aber Iris war viel zu klug, um ihr in Matheos Gegenwart etwas ins Gesicht zu sagen. Das wusste Colette. Die falsche Schlange zeigte ihre wahren Farben nur vor Colette, wenn Matheo nicht in der Nähe war.
„Colette, das ist nicht der richtige Zeitpunkt für…“
„Nicht der richtige Zeitpunkt für was?“ unterbrach Colette, ihre Stimme kalt. „Für eine Ehefrau, ihren Ehemann zu sehen? Oder für eine Sekretärin, ihre Grenzen zu überschreiten?“
Die Spannung zwischen den dreien war greifbar und zog die Aufmerksamkeit der nahegelegenen Gäste auf sich. Matheos Lächeln wurde angestrengt, als er versuchte, die Situation unter Kontrolle zu halten. „Colette, lass uns keine Szene machen,“ warnte er leise, sein Griff um ihre Taille verstärkte sich.
„Eine Szene?“ Colette lachte, ein hohles Geräusch, das Matheo einen Schauer über den Rücken jagte. „Oh, Liebling, die Szene hat gerade erst begonnen.“ Sie wandte sich an den Manager, der immer noch in der Nähe stand und unbehaglich aussah. „Könnten Sie mir bitte ein Glas Champagner bringen? Ich habe das Gefühl, dass dies eine lange Nacht wird.“
Der Manager nickte schnell und eilte davon, ließ Matheo und Iris zurück, um mit den Folgen umzugehen. Matheo lehnte sich näher zu Colette, sein Atem heiß an ihrem Ohr. „Du spielst ein gefährliches Spiel, Colette,“ zischte er.
„Nein, Matheo,“ antwortete Colette und traf seinen Blick mit unerschütterlicher Entschlossenheit. „Ich spiele kein Spiel. Ich beende eins.“