




Kapitel 6 Waren sie Vater und Sohn?
Je mehr Nora darüber nachdachte, desto komplizierter schienen die Dinge zu werden. Aber Thomas und das Kind hatten unterschiedliche Blutgruppen, also konnten sie unmöglich Vater und Sohn sein.
„Ich fühle mich so kratzig; kann ich mich nicht kratzen?“ Aaron konnte nicht anders, als zu fragen.
Nora kam wieder zur Besinnung. „Kein Kratzen. Warte, ich werde einen Weg finden, dir zu helfen.“
Aarons dünne Lippen waren fest zusammengepresst, seine Finger krümmten sich und entkrampften sich, und er fühlte sich völlig elend.
Zwischen Juckreiz und Schmerz würde er lieber den Schmerz wählen!
Nora brachte den Erste-Hilfe-Kasten herbei, suchte nach Allergiemedikamenten, konnte sie aber nach einer langen Weile nicht finden.
Aaron sah ihre kühle Haltung und konnte nicht anders, als erneut zu fragen: „Gibt es keinen anderen Weg, diesen Juckreiz schnell zu lindern?“
Nora seufzte: „Du hast mich wirklich erwischt. Beweg dich nicht; ich werde es für dich einreiben.“
Aaron blieb still und beobachtete, wie Nora seine Schlafanzugknöpfe öffnete. Ihre kleinen Hände strichen sanft über seine Haut. Der unerträgliche Juckreiz wurde durch Noras Berührung etwas gelindert.
Aaron atmete tief ein und sah zu Nora auf. Sie hatte den Kopf gesenkt, eine Haarsträhne schwang spielerisch an ihrem Ohr vorbei. Ihr zartes Gesicht zeigte einen Hauch von Ernsthaftigkeit.
Aarons Blick wanderte hinunter zu Noras schlankem Hals, der im Licht sanft schimmerte. In der stillen Nacht erfüllte Noras Duft die Luft und beraubte seine Sinne.
Als Aaron Nora ansah, blitzte plötzlich eine Szene von vor vier Jahren in seinem Kopf auf. In jener Nacht waren die Hände der Frau genauso weich gewesen.
Aaron spürte, wie sein Mund trocken wurde, und die Stellen, an denen Nora ihn berührt hatte, schienen noch mehr zu jucken.
Dieser Juckreiz war anders als der allergische; es war, als würde eine Feder leicht über sein Herz streichen.
„Thomas, woran denkst du?“ fragte Nora, während sie ihn weiter einrieb und allmählich Aarons seltsames Verhalten bemerkte.
Ein Hauch von Verlegenheit blitzte in Aarons tiefen Augen auf, aber sein Gesicht blieb unbewegt. „Du bist eine Ärztin; du solltest wissen, dass manchmal physiologische Reaktionen außerhalb der eigenen Kontrolle liegen.“
Nora war fassungslos. Sie versuchte, Thomas zu helfen, sich besser zu fühlen, aber sie war zum Gegenstand seiner Fantasien geworden!
Schnell zog sie ihre Hand zurück und knöpfte Aarons Schlafanzug wieder zu. „Thomas, da du die Allergie von den Erdnusskeksen bekommen hast, die ich dir gegeben habe, werde ich es dir nicht übel nehmen. Andernfalls würde ich dich auf jeden Fall zur Rechenschaft ziehen!“
Aaron sah ihr nun kaltes und hübsches Gesicht an, schloss die Augen und fühlte eine Welle der Irritation. Der Juckreiz kehrte zurück und quälte ihn erneut.
Schließlich fand Nora das Allergiemedikament und gab es ihm.
Am nächsten Morgen zwitscherten die Vögel, als wollten sie alle daran erinnern, dass ein neuer Tag begonnen hatte.
Aaron wachte auf, bewegte seinen Körper und stellte fest, dass der Juckreiz verschwunden und der Ausschlag abgeklungen war.
Doch sein Unterkörper hatte immer noch kein Gefühl. Dieser Kontrollverlust war wirklich zum Verrücktwerden.
Aarons Gesicht verdunkelte sich, und er ballte die Fäuste, schlug hart gegen die Seite des Bettes. Die Tür öffnete sich, und Nora trat ein.
„Schon so früh am Morgen wütend? Wenn du mein Bett kaputt machst, wie wirst du dafür bezahlen?“
Aaron, in schlechter Stimmung, sagte kalt: „Bitte behandle mich besser, sonst wirst du es bereuen.“
Nora verdrehte die Augen, ihr Gesicht verdüsterte sich. „Gib mir nicht diese Einstellung, sonst werde ich dafür sorgen, dass du es sofort bereust!“
Aarons Gesicht wurde so dunkel wie Tinte, seine scharfen Augen starrten Nora an. Aber Nora hatte keine Angst vor ihm. „Willst du, dass ich mich um dich kümmere oder nicht? Wenn ja, dann leg die Einstellung ab.“
Aaron holte tief Luft, schloss die Augen und unterdrückte mühsam seine innere Wut.
Unter jemand anderem Dach musste er sich zusammenreißen!
Nora sah, dass Aaron verstummt war, und machte ihm keine Schwierigkeiten. „Der Rollstuhl wird bald da sein. Er hat mich eine Menge Geld gekostet. Du solltest froh sein, dass ich so ein gutherziger Mensch bin.“
Als Aaron das hörte, sagte er plötzlich: „Ich werde es dir in Zukunft zurückzahlen.“ Er hatte genug Geld, wenn auch sonst nichts.
„Das hast du gesagt.“ Nora nahm Aarons Worte nicht ernst. Sie räumte ein wenig auf und verließ dann das Zimmer.
Nicht lange danach wurde die Tür wieder aufgestoßen, und ein kleiner Kopf lugte herein. „Bist du wach?“
Es war Samantha.
„Guten Morgen, Samantha.“ Aarons Gesichtsausdruck wurde unwillkürlich weicher.
Samantha trug gelbe Cartoon-Pyjamas, ihr Haar war zerzaust, und sie rannte in ihren kleinen Hausschuhen zum Bett. „Hast du gut geschlafen letzte Nacht?“
Ihre süße kleine Stimme ließ Aaron leicht lächeln. „Es war okay.“
Auch wenn er überhaupt nicht gut geschlafen hatte, wollte er Samantha glücklich sehen, als er ihre lächelnden Augen sah.
„Deine Lippen sind so trocken. Hast du Durst? Ich hole dir etwas Wasser.“
Als Samantha Aarons trockene Lippen sah, schaute sie sich um und ging, um die nahegelegene Teetasse zu holen.
Aaron fühlte eine Wärme in seinem Herzen. „Danke, Samantha. Ich werde es später trinken.“
„Ich helfe dir beim Trinken.“
In diesem Moment wurde die Tür aufgestoßen, und Nora sah, wie Samantha Aaron Wasser geben wollte, und war etwas sprachlos. „Samantha, warum rennst du so früh schon herum? Komm schnell her.“
Nora hatte noch nie solch eine Behandlung selbst genossen!
„Mama, der Mann hat Durst“, sagte Samantha und blinzelte mit ihren großen Augen.
„Und was, wenn ich auch Durst habe?“ fragte Nora absichtlich, während sie Aaron half, sich aufzusetzen.
Samantha dachte einen Moment nach. „Ich helfe ihm zuerst beim Trinken, dann hole ich Wasser für Mama!“
Nora schwieg. War Samantha wirklich ihre leibliche Tochter? Sie stellte sich so schnell auf die Seite eines Fremden!
Unterdessen waren Lucas und Becky auf dem Weg in die Vororte. „Lucas, stimmt es, dass Nora und ihre drei Kinder jetzt im Haus ihrer Großmutter leben?“ fragte Becky.
„Ja“, antwortete Lucas.
„Was, wenn sie sich immer noch weigert, sich scheiden zu lassen?“
Lucas' Augen funkelten. „Das wird sie nicht.“
„Das will ich hoffen.“ Ein kalter Glanz erschien in Beckys Augen.
Bald darauf kamen sie vor dem kleinen Gebäude an, in dem Nora lebte.
Sie waren mit einem einzigen Ziel gekommen: Nora zu finden. Ihr Entschluss war unerschütterlich – sie waren entschlossen, sie zur Scheidung von Lucas zu bewegen, und es musste heute geschehen!
In diesem Moment war der Rollstuhl, den Nora für Aaron bestellt hatte, angekommen. Sie hatte ihn gerade zusammengebaut und half Aaron, sich hinein zu setzen, um ihn in den Vorgarten zu schieben, damit er etwas frische Luft schnappen konnte.
Becky stieg aus dem Auto und sah diese Szene aus der Ferne. „Oh, warum ist da ein Behinderter bei Nora zu Hause? Ist das ihr Liebhaber?“
Auch Lucas sah Aaron im Rollstuhl sitzen. Allerdings war er außerhalb des Zauns und konnte Aarons Gesicht nicht klar erkennen. Was hatte dieser Mann mit Nora zu tun?
„Nora, mach die Tür auf!“ Lucas zog schnell Becky mit sich, als sie näher kamen.
Nora blickte aus der Ferne und erkannte sie sofort. Sie hatten sie so schnell gefunden.
„Nora, mach die Tür auf. Wir müssen über die Scheidung reden!“ Lucas' Stimme war dringend und voller Druck.